Der Prozess zur Entwicklung pastoraler Strukturen im Bistum Münster
Andrea Temming (Geschäftsführerin kfd) im Interview mit Daniel Gewand (Geschäftsführer des Prozesses zur Entwicklung pastoraler Strukturen)
Daniel Gewand, in drei Stichworten: Was macht die kfd aus?
Weiblich, kritisch, engagiert. Weiblich ist die Perspektive, die eine wichtige, andere Perspektive in kirchliche und gesellschaftliche Prozesse reinbringt. Kritisch, weil die kfd sich - glaube ich - als Verband etabliert hat, Prozesse in Kirche und Gesellschaft kritisch zu beleuchten und sie so mitzugestalten. Engagiert: Frauen unterschiedlichen Alters engagieren sich gemeinsam für unterschiedlichen Themen in Gesellschaft und Kirche - vor Ort, aber auch diözesan- und bundesweit. Deswegen: weiblich, kritisch, engagiert.
Welches Ziel hat der Prozess zur Entwicklung pastoraler Strukturen im Bistum Münster?
Da kann ich an den Auftrag unseres Bischofs erinnern, der zu Beginn des Prozesses gesagt hat, wir müssen Strukturen schaffen, um das Evangelium unter geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vor Ort verkünden zu können.
Hat der Strukturprozess auch Potenzial für inhaltliche Reformen oder geht es um Verwaltung von Mangel an Priestern, Pastoralreferent*innen, Finanzen, Katholik*innen?
Zunächst einmal wurde der Strukturprozess in die Wege geleitet, um neue Strukturen für eine Kirche unter geänderten Rahmenbedingungen – mit weniger finanziellen und personellen Ressourcen - zu entwickeln. Deswegen werden die Pastoralen Räume gegründet, in denen Pfarreien und andere Akteure kirchlichen Lebens intensiver miteinander kooperieren sollen.
Wenn wir uns zum Beispiel mit der Frage der Leitung im Pastoralen Raum beschäftigen, ist das erstmal eine Strukturfrage. Ein Pastoraler Raum soll jedoch von einem Team geleitet werden und damit wird es durchaus auch eine inhaltliche Frage: wer kann in Kirche Leitungsämter übernehmen, wie werden die Personen gefunden und wie kann Leitung im Team und damit auch weiblicher gedacht werden.
Der Strukturprozess wird die Kirche im Bistum Münster verändern, wir werden in fünf bis sechs Jahren anders Kirche sein, mit anderen inhaltlichen Akzenten.
Wir hören aus den Medien, dass 45 Pastorale Räume eingesetzt worden sind im Bistum Münster. Wie geht es weiter?
Erstmal können wir hinter diesen Punkt des Strukturprozesses einen kleinen Haken setzen, weil da schon zwei Jahre Prozess mit hoher Beteiligung und viel Engagement hinter uns liegen.
Die Pastoralen Räume müssen jetzt mit Leben gefüllt werden und das passiert zum einen, indem wir die Empfehlungen der sogenannten Themengruppen, welche bis Ende des Jahres vorliegen zu Entscheidungen bringen und umsetzen. Zum anderen werden im ersten Quartal 2024 sogenannte Koordinierungsteams in den Pastoralen Räumen ihre Arbeit aufnehmen. Diesen Teams soll ausdrücklich noch nicht die Leitung der Pastoralen Räume zugeschrieben werden. Vielmehr wird es die Aufgabe des Koordinierungsteams sein, die Kommunikation auf der Ebene des Pastoralen Raumes zu initiieren und zu koordinieren, Vernetzung und Kooperation fördern und damit einer gemeinsam getragenen Verantwortung des Pastoralen Raumes den Weg bereiten. Die Teams werden von externen sogenannten Koordinator:innen unterstützt und sollen innerhalb der nächsten 2 Jahre Leitungsteams implementieren.
Das Personal wird weniger werden und das Engagement des Ehrenamtes geht zurück. Den kfd Frauen vor Ort fehlt ganz klar die Begleitung, Unterstützung der geistlichen BegleiterInnen vor Ort und die Verbindung! Gibt es neue Konzepte der Unterstützung?
Ich erinnere nochmal an den Auftrag von Bischof Felix zu Beginn des Prozesses und das heißt hier: Wir müssen Strukturen vorhalten und aufbauen, die mit den geringer werdenden Ressourcen kirchliches Leben vor Ort ermöglichen.
Das hat jedoch vielleicht auch zur Folge, dass es nicht mehr für jeden kfd Ortsverband eine:n hauptberufliche:n Ansprechpartner:in in der Form gibt, wie wir das vielleicht von vor 20 Jahren noch kennen. Ob das immer zum Nachteil ist, kann ich noch nicht sagen. Was ich sagen kann: Wir entwickeln uns von einer versorgten Kirche zu einer selbstsorgenden Kirche.
Welchen Platz und welche Aufgaben haben die Verbände in diesem ganzen Prozess?
Wir denken den Pastoralen Raum als Kooperationsraum. Verschiedene Einrichtungen, Gemeinschaften, Gemeinden, Orte und die Verbände sollen auf einer größeren territorialen Ebene miteinander kooperieren, um das Evangelium vor Ort zu verkünden. Und da spielen die Verbände natürliche eine große Rolle. Verbände sind im Bistum Münster eine starke Säule der Pastoral und der Vergemeinschaftung. Und so würde ich die Verbände auch in der neuen Struktur sehen: Sie sind ein Ort, um das Evangelium in Verbindung zu bringen mit den Fragen und Lebensthemen der Menschen. In den Pastoralen Räumen sehe ich die Verbände teilweise sogar gestärkt, weil sie eigenes anbieten können, was andere Orte der Kirche so nicht anbieten.
Spannend! Was bieten wir denn anderes an, was andere nicht anbieten?
Die kfd ist ein Verband für Frauen und ein Ort, wo sich vor allem Frauen treffen, über unterschiedliche Themen austauschen und aus weiblicher Perspektive das Evangelium deuten. Ich finde, das ist eine totale Stärke der kfd und das ist was Besonderes, was z.B. der klassische Sonntagsgottesdienst vielleicht so nicht bietet.
Im Strukturprozess übernehmen immer noch viele Männer die Leitungspositionen und Frauen führen aus. In der Leitungsspitze des PEPS Prozesses sind 2 Männer. Was in diesem Prozess sorgt für mehr Geschlechtergerechtigkeit?
Ich kann jetzt über das Geschlecht von Generalvikar Dr. Winterkamp und mir nicht hinwegsehen, aber ich erlebe diesen Prozess nicht geschlechterungerecht. Die Mehrheit der Themengruppen – aktuell 9 von 14 – werden von Frauen geleitet. In der Steuerungsgruppe, im Beirat und in der erweiterten Steuerungsgruppe sind nicht wenige Frauen engagiert, wobei Geschlechtergerechtigkeit sich ja nicht nur darin abbildet, ob in der einen oder anderen Gruppe mehr Frauen oder Männer vertreten sind. Obwohl eine paritätische Verteilung durchaus wünschenswert wäre. Ich hoffe, dass die Entscheidungen in dem Prozess für mehr Geschlechtergerechtigkeit sorgen werden, denn die Kirche der Zukunft braucht mehr Geschlechtergerechtigkeit. Ich denke dabei an die Leitungsformen im Pastoralen Raum, die Rollen- und Aufgabenklärung im Pastoralen Raum aber auch für das Thema der gottesdienstlichen Feiern.
Wir hören immer mal wieder von kfd Frauen, dass der Pfarrer diesen Prozess blockiert und wenig Veränderungen zulässt! Was können diese Frauen tun?
Wir stecken gerade in einem großen Veränderungsprozess. Dass da Menschen Sorgen und Angst vor Veränderungen haben, davor, dass was verloren geht, was ihnen wichtig ist, kann ich verstehen. Das betrifft nicht nur Pfarrer, sondern auch freiwillig Engagierte. Und manchmal auch Frauen - aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Für den Prozess werden die nächsten Jahr entscheidend sein. Es wird die Koordinator*innen geben, es wird das Koordinationsteam vor Ort geben. Dann sind wir in einem dynamischen Prozess, und dann wird sich zeigen: Wie geht Veränderung vor Ort voran? Und da glaube ich, wird in Zukunft nicht ein Pfarrer alleine eine Veränderung verhindern können. Den Frauen oder Männern, die Blockaden vor Ort erleben würde ich raten dranzubleiben, sich weiter zu engagieren, aber auch für sich zu sorgen und kritisch zu bleiben, wenn jemand die Veränderungsnotwendigkeit unserer Kirche aktuell nicht sieht.
Welche Voraussetzungen schafft der Strukturprozess, damit die KFD ein Glaubensort bleibt bzw. werden kann in den neuen Strukturen?
Die kfd ist ein Glaubensort und wird es auch in der neuen Struktur bleiben. Vielleicht ist das generell die Chance der neuen Strukturen, dass wir den Pastoralen Raum als Kooperationsraum ernst nehmen, als Ebene, wo Christen und Christinnen die Grundvollzüge der Kirche an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Gelegenheiten leben. Verschiedenen Formen von Gemeinden können im Pastoralen Raum so nebeneinander stehen. Verbände und damit auch die kfd sind für mich in diesem Sinne eine Form von Gemeinde.
Was geben Sie der kfd mit auf den Weg?
Es geht jetzt erst richtig los. Bleiben Sie kritisch und engagiert.
Das Interview wurde am 4. Juli 2023 aufgezeichnet.